Der Klimawandel ist die größte weltweite Bedrohung für die Gesundheit; dieser Bedrohung zu begegnen, könnte die größte globale Herausforderung des 21. Jahrhunderts sein (1). Um die gesundheitlichen Risiken des Klimawandels einzuschränken, wurde im Rahmen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) im Jahr 2015 das Übereinkommen von Paris verabschiedet. Dessen Ziel ist es, die globale Erwärmung deutlich unter 2 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten und Anstrengungen dahingehend zu unternehmen, diese auf 1,5 °C zu beschränken (2). Über die unterschiedlichen Auswirkungen der Erwärmungsziele von 1,5 °C beziehungsweise 2 °C auf die Gesundheit ist jedoch wenig bekannt (3, 4). Obwohl sich aus regionalen, nationalen und globalen Studien neue Hinweise ergeben, die eine mögliche Zunahme der temperaturbedingten Sterblichkeit infolge des Klimawandels aufzeigen (5, 6, 7, 8, 9), konzentrierten sich nahezu alle diese Studien auf einen bestimmten zukünftigen Zeitraum und nicht auf ein bestimmtes Ziel, was den Grad der Erwärmung anbelangt (3). Somit ist weiterhin unklar, ob durch eine Eindämmung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C anstatt auf 2 °C temperaturbedingte Gesundheitsauswirkungen vermieden werden können (3, 10).
Im Oktober 2018 legte der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) einen Sonderbericht über die Folgen einer globalen Erwärmung um 1,5 °C (SR15) vor und schloss mit sehr großer Wahrscheinlichkeit, dass die hitzebedingten Folgen für die Gesundheit bei einer globalen Erwärmung um 2 °C weitreichender ausfallen werden als bei einer Erwärmung um 1,5 °C (11). Da jedoch prognostiziert wird, dass die kältebedingte Sterblichkeit in einigen Regionen aufgrund von wärmeren Wintern sinkt (11), bleibt unklar, inwieweit hitzebedingte Auswirkungen die Abnahme der kältebedingten Auswirkungen ausgleichen können, wodurch die Gesamtauswirkung in Bezug auf die Temperatur ungewiss ist (12). Des Weiteren lag der Schwerpunkt der meisten früheren Projektionsstudien eher auf der Sterblichkeit als auf Erkrankungsraten (13), weshalb nur in beschränktem Maße Hinweise zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die hitzebedingte Morbidität vorliegen. Über Kälte als Auslöser von HI-Fällen wurde bereits berichtet (14). Unsere kürzlich durchgeführte Studie ergab, dass auch Hitze ein möglicher Auslöser ist (15). Plausible pathophysiologische Mechanismen sind in Grafik 1 dargestellt. Unsere Zielsetzung hier war nun die Prognose künftiger temperaturbedingter Herzinfarktfälle (HI-Fälle) in Augsburg (Deutschland), ausgehend von einer Erwärmung um Grade, die den Zielen des Übereinkommens von Paris (1,5 °C und 2 °C) und höher (3 °C) entsprechen. Diese Informationen können den Fachkräften im Gesundheitswesen und den politischen Entscheidungsträgern helfen, die mögliche Gesundheitsbedrohung durch den Klimawandel besser zu verstehen.

Grafik 1
Plausible pathophysiologische Mechanismen, die einen Zusammenhang zwischen Hitzebelastung und Herzinfarkten herstellen
Im AbbildungsverzeichnisMethoden
Studienpopulation
Daten des bevölkerungsbasierten HI-Registers der Kooperativen Gesundheitsforschung in der Region Augsburg (KORA) wurden zur Durchführung der Studie herangezogen. Das Untersuchungsgebiet umfasst die Stadt Augsburg und die beiden angrenzenden Landkreise (Augsburg und Aichach-Friedberg). Alle registrierten HI-Fälle und koronaren Todesfälle bei Einwohnern im Alter von 25 bis 74 Jahren (ca. 400 000 Einwohner) vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2014 gingen in die Analysen ein. Des Weiteren haben wir Subtypen von HI-Fällen einschließlich ST-Hebungsinfarkte (STEMI) und Nicht-ST-Hebungsinfarkte (NSTEMI) analysiert. Einzelheiten zu diesem Register werden im eMethodenteil aufgeführt. Die Studie wurde von der Ethik-Kommission der Bayerischen Landesärztekammer genehmigt und in Übereinstimmung mit der Deklaration von Helsinki durchgeführt.
Temperaturprojektionen
Tägliche Durchschnittstemperaturen für die Jahre 2010 bis 2099 wurden aus vier globalen Klimamodellen im Rahmen der Phase 2b des „Inter-Sectoral Impact Model Intercomparison Project“ (ISIMIP2b) (16) bezogen. Wir haben zwei Klimawandelszenarien im Rahmen der „Representative Concentration Pathways“ (RCP) RCP2.6 und RCP8.5 zugrunde gelegt, die jeweils einem geringen und einem hohen Erwärmungs- und Emissionsszenario entsprechen (Kasten). Eine in Ebi et al. (2018) (3) beschriebene Methodik wurde angewandt, um den Zeitraum zu bestimmen, in dem eine Erwärmung um 1,5 °C, 2 °C und 3 °C gegenüber vorindustriellen Werten erreicht werden wird; dabei wurde das Jahrzehnt 2010 bis 2019 als Basis verwendet (eMethodenteil).

Kasten
Klimawandel-Szenarien
Im AbbildungsverzeichnisUntersuchung der gesundheitlichen Folgen
Für unterschiedliche Erwärmungsgrade haben wir basierend auf einem kürzlich entwickelten Ansatz (17) die Anzahl und den Anteil von HI-Fällen geschätzt, die auf Hitze, Kälte und Nettoveränderungen (die summierten Folgen von Hitze und Kälte) zurückzuführen sind. Dabei wurde angenommen, dass es keine künftigen Veränderungen bezüglich Bevölkerungsstruktur und Adaptationsgrad gibt. Die täglichen temperaturbedingten HI-Fälle wurden basierend auf zuvor geschätzten Dosis-Wirkungs-Funktionen zwischen täglichen Durchschnittstemperaturen und täglichen HI-Fällen (eGrafik) (15), den Temperaturprojektionen und den Basis-HI-Fällen berechnet. Die Basis-HI-Fälle wurden als die durchschnittlich beobachtete Anzahl von Fällen für jeden Tag des Jahres im Zeitraum 2001–2014 bestimmt. Abschließend haben wir die künftigen Veränderungen als die Differenzen zwischen den zukünftigen Jahrzehnten, in denen die unterschiedlichen Erwärmungsgrade erreicht werden, und dem Basiszeitraum für die beiden RCP-Szenarien berechnet. Mithilfe von Monte-Carlo-Simulationen wurden empirische Konfidenzintervalle (Empirical Confidence Interval, eCI) geschätzt, die die Unsicherheit der Dosis-Wirkungs-Funktionen und die Variabilität der globalen Klimamodelle berücksichtigen. Wesentliche Elemente der Abschätzung sind im eKasten aufgeführt. Einzelheiten zur Abschätzung der gesundheitlichen Folgen sind im eMethodenteil zu finden.

eGrafik
Kumulative Dosis-Wirkungs-Funktionen zwischen Lufttemperatur und Herzinfarkten mit 95-%-Konfidenzintervallen in Augsburg, Deutschland, im Zeitraum 2001–2014
Im Abbildungsverzeichnis
eKasten
Wesentliche Elemente in Bezug auf die Beurteilung der Auswirkungen des Klimawandels
Im AbbildungsverzeichnisErgebnisse
Grafik 2 zeigt für die zwei RCP-Szenarien die gleitenden Zehn-Jahres-Mittel der globalen mittleren Temperaturprojektionen. Diese wurden gemittelt über vier globale Klimamodelle im Verhältnis zum vorindustriellen Niveau. Die globale Durchschnittstemperatur für das Szenario RCP8.5 liegt im Verhältnis zu den vorindustriellen Werten zum Ende des 21. Jahrhunderts um 3 °C höher, während sie unter RCP2.6 unter 2 °C bleibt. Somit erfüllt das Szenario RCP2.6 das Ziel des Übereinkommens von Paris von 1,5 °C. RCP8.5 haben wir verwendet, um eine Erwärmung auf 2 °C und 3 °C zu untersuchen. Basierend auf diesen Szenarien wird eine Erwärmung um 1,5 °C um das Jahr 2031 herum erreicht (Tabelle 1). Eine Erwärmung um 2 °C beziehungsweise um 3 °C wird um das Jahr 2037 beziehungsweise um das Jahr 2052 erreicht.

Grafik 2
Zeitreihen des gleitenden Durchschnitts der Veränderung der jährlichen globalen Mitteltemperatur der bodennahen Luft über einen Zeitraum von zehn Jahren im Verhältnis zum vorindustriellen Niveau anhand verschiedener Klimawandel-Szenarien (Representative Concentration Pathway, RCP, siehe Kasten)
Im Abbildungsverzeichnis
Tabelle 1
Beschreibung von Szenarien der globalen Erwärmung um 1,5 °C, 2 °C und 3 °C
Im AbbildungsverzeichnisVon 2001 bis 2014 gab es in der Region Augsburg durchschnittlich 967 koronare Ereignisse pro Jahr, darunter waren 235 STEMI-Fälle und 331 NSTEMI-Fälle. Im Verhältnis zum Basiszeitraum werden hitzebedingte HI-Fälle in allen Erwärmungsszenarien zunehmen, während kältebedingte HI-Fälle abnehmen werden (Tabelle 2). Wird das Ziel des Übereinkommens von Paris – nämlich die Eindämmung der Erwärmung auf 1,5 °C – erreicht, werden die gesamten temperaturbedingten HI-Fälle in Augsburg pro Jahrzehnt leicht abnehmen (−6; 95-%-Konfidenzintervall: [−60; 50]). Eine Erwärmung um 2 °C führt zu einer stärkeren Zunahme von hitzebedingten HI-Fällen als Abnahme von kältebedingten HI-Fällen, was zu einem Netto-Anstieg um 18 [−64; 117] HI-Fälle pro Jahrzehnt führt. Bei einer jenseits des Ziels des Übereinkommens von Paris liegenden Erwärmung um 3 °C nehmen temperaturbedingte HI-Fälle um 63 [−83; 257] pro Jahrzehnt zu, was einem Anstieg von circa 0,7 % der Belastung durch HI-Fälle entspricht.
![Tabelle 2 Änderungen in Bezug auf die zuschreibbare Zahl und den zuschreibbaren Anteil [95-%-eKI]* temperaturbedingter Herzinfarkte pro Jahrzehnt in Augsburg, bei einer globalen Erwärmung um 1,5 °C, 2 °C und 3 °C](/_next/image?url=%2F42953b2c-233e-42de-ad33-3d814f1a3f8d%2Fimg140115401.gif&w=3840&q=75)
Tabelle 2
Änderungen in Bezug auf die zuschreibbare Zahl und den zuschreibbaren Anteil [95-%-eKI]* temperaturbedingter Herzinfarkte pro Jahrzehnt in Augsburg, bei einer globalen Erwärmung um 1,5 °C, 2 °C und 3 °C
Im AbbildungsverzeichnisGrafik 3 fasst die Nettoveränderungen bei den temperaturbedingten Herzinfarkten für die verschiedenen Erwärmungsszenarien für die Gesamtzahl der Herzinfarkte sowie die Subtypen zusammen. Während die Gesamtzahlen und die NSTEMI-Fälle bei höheren Erwärmungsgraden zunehmen, werden hingegen STEMI-Fälle insgesamt abnehmen, da hier die Zahl der kältebedingten HI-Fälle stärker zurückgeht als die Zahl der durch Temperaturerhöhung zusätzlich bewirkten HI-Fälle. Die meisten der zusätzlichen temperaturbedingten HI-Fälle werden NSTEMI-Fälle sein, wobei sich die Zunahme im Bereich von 21 ([−13; 63], bei einer Erwärmung um 1,5 °C) bis zu 102 ([21; 201], bei einer Erwärmung um 3 °C) zusätzlichen HI-Fällen bewegt.

Grafik 3
Änderungen der temperaturbedingten Herzinfarkte pro Jahrzehnt für prognostizierte Erwärmungen um 1,5 °C, 2 °C und 3 °C.
Im AbbildungsverzeichnisDiskussion
Unsere Prognosen zeigen, dass die untersuchten Anstiege in der globalen Erwärmung voraussichtlich zu einer Zunahme der hitzebedingten HI-Fälle und zu einer Abnahme der kältebedingten HI-Fälle in Augsburg (Deutschland) führen werden. Kann die Erwärmung bei 1,5 °C aufgehalten werden, so wird eine erhebliche Anzahl temperaturbedingter HI-Fälle vermieden. Bei einem RCP2.6-Szenario mit geringer Emission wird die Erwärmung bis 2100 auf unter 2 °C begrenzt, was zu einer geringfügigen Nettoveränderung der HI-Fällen führt. Im hohen Emissions-Szenario RCP8.5 wird die Erwärmung bis 2100 dagegen mehr als 3 °C betragen, was zu einer erheblich erhöhten Belastung durch HI-Fälle führen wird.
Nur sehr wenige Studien haben bisher die regionalen gesundheitlichen Folgen einer Stabilisierung der Klimaerwärmung auf 1,5 °C anstatt auf 2 °C (3) direkt abgeschätzt. Unsere Erkenntnisse in Bezug auf zunehmende hitzebedingte Folgen bei einer Erwärmung um 2 °C anstatt um 1,5 °C stimmen mit der Schlussfolgerung des Sonderberichts 15 des IPCC (11) und den Ergebnissen aus zwei aktuellen multizentrischen europäischen Studien (10, 12) überein. Des Weiteren konnten wir unter dem Hoch-Emissions-Szenario RCP8.5 eine große Reduktion der hitzebedingten HI-Fälle in Augsburg feststellen, wenn die Erwärmung auf 2 °C anstelle von 3 °C gehalten werden kann. Was die Nettoveränderung betrifft, so wurde in einer aktuellen weltweiten Studie zudem ein Nettoanstieg der temperaturbedingten Sterblichkeit in mittel- und südeuropäischen Städten festgestellt (12). Dies legt nahe, dass durch Emissionsreduktionen in Richtung der Ziele des Übereinkommens von Paris hitzebedingte Auswirkungen auf die HI-Krankheitslast vermieden werden können.
In Bezug auf die Klimaszenarien erfüllt RCP2.6 das Ziel des Übereinkommens von Paris, die Erwärmung deutlich unter 2 °C zu halten (Grafik 2, Tabelle 1). Dies bestätigt auch eine vorausgegangene Untersuchung (3) und führt bei einer Erwärmung um 1,5 °C zu einer nur unwesentlichen Veränderung (−0,1 %) der Belastung durch HI-Fälle. Dagegen werden temperaturbedingte HI-Fälle unter dem RCP8.5-Szenario und bei einer Erwärmung um 2 °C um 0,2 % und bei einer Erwärmung um 3 °C um 0,7 % zunehmen (Tabelle 2). Ebenso wurde auch im Rahmen einer früheren Studie geschätzt, dass die temperaturbedingte Sterblichkeit in mittel- und südeuropäischen Städten im Verlauf des 21. Jahrhunderts unter dem RCP2.6-Szenario wesentlich geringer ausfallen wird als unter RCP8.5 (5).
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts traten im Jahr 2015 in Deutschland 135 218 Herzinfarkt-Ereignisse bei Personen im Alter von 25–74 Jahren auf (darunter sowohl akute HI-Fälle als auch Todesfälle aufgrund von Herzstillstand) (18). Eine grobe Überschlagsrechnung der von uns prognostizierten Veränderungen in der Region Augsburg auf ganz Deutschland zeigt, dass durch eine Eindämmung der Erwärmung auf 1,5 °C im Vergleich zu einer Erwärmung auf 3 °C 1 082 HI-Fälle pro Jahr verhindert werden könnten. Diese Zahl ist vermutlich zu niedrig angesetzt, da wir nur Patienten unter 75 Jahren berücksichtigt haben, ältere Menschen aber anfälliger für eine hitzebedingte Sterblichkeit und Morbidität sind (19, 20). Unsere Erkenntnisse legen nahe, dass eine ehrgeizige Reduzierung von Treibhausgasemissionen nötig ist, um die Ziele des Übereinkommens von Paris zu erreichen und nachteilige temperaturbedingte gesundheitliche Folgen zu vermeiden.
Implikationen für Fachkräfte im Gesundheitswesen
Fachkräfte im Gesundheitswesen haben eine wichtige Funktion bei der Durchsetzung rascherer Fortschritte bei der Bekämpfung des Klimawandels, da sie darin ausgebildet sind, Patienten über Gesundheitsgefahren aufzuklären. Zudem wird ihnen möglicherweise mehr Vertrauen entgegengebracht als Umweltschützern; sie können die Gesundheitsrisiken, die durch den Klimawandel entstehen, besser kommunizieren und dementsprechend möglicherweise auch die Politik überzeugen, dass Treibhausgasemissionen reduziert werden müssen (1, 21). Mit der Fähigkeit, sich effektiv gegen die Gesundheitsgefahren des Klimawandels einzusetzen, sollten Fachkräfte im Gesundheitswesen eine führende Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels spielen (22). Um Allgemeinmediziner und anderes Fachpersonal im Gesundheitswesen zu ermutigen, eine Vorreiterrolle bei der Bekämpfung des Klimawandels einzunehmen, ist es wichtig zu verstehen, welche Folgen der Klimawandel auf die Gesundheit hat (23). Diese Studie legt nahe, dass eine globale Erwärmung um mehr als 1,5 °C zu einer Zunahme temperaturbedingter HI-Fälle führt, und appelliert an die Fachkräfte im Gesundheitswesen, die Öffentlichkeit und politische Entscheidungsträger über die potenziellen gesundheitlichen Risiken des Klimawandels und die Vorteile von Klimaschutzmaßnahmen zu informieren.
Stärken und Limitationen der Studie
Unserer Kenntnis nach ist dies die erste Studie, die hitzebedingte HI-Fälle im Zusammenhang mit den Zielen des Übereinkommens von Paris prognostiziert. Unsere Schätzungen basieren auf einer geprüften, vollständigen und detaillierten Registrierung sämtlicher Herzinfarkte und koronarer Todesfälle in Augsburg in Kombination mit einem fortgeschrittenen und etablierten Ansatz zur Berücksichtigung von Unsicherheiten in Dosis-Wirkungs-Funktionen und Variabilität von Klimamodellen (5). Unsere Schätzungen können als Veränderungen der hitzebedingten HI-Fälle interpretiert werden, wenn die derzeitige Bevölkerung in Augsburg künftigen Temperaturen bei einer globalen Erwärmung um 1,5 °C, 2 °C und 3 °C ausgesetzt wäre. Unsere Projektionen erlauben somit eine Isolierung der Auswirkungen des Klimawandels von anderen Faktoren wie demografischem Wandel und Adaption der Bevölkerung (5).
Wie jede Studie, weist auch diese Studie Limitationen auf. Zunächst liegt der Schwerpunkt unserer Projektionen der gesundheitlichen Folgen auf bestimmten Zielen des Übereinkommens von Paris und weniger auf einheitlichen künftigen Zeiträumen. In diesem Ansatz wurden verschiedene Zeiträume für verschiedene Reduktionsziele angewandt, was unsere Möglichkeit einschränkt, Auswirkungen künftiger demografischer Veränderungen, wie Populationsgröße, Altersstruktur, Lebensweise und zugrunde liegende HI-Raten, zu berücksichtigen. Da wir in Zukunft in Augsburg mehr NSTEMI- und weniger STEMI-Fälle erwarten (15), werden die künftigen Veränderungen der gesamten temperaturbedingten HI-Fälle möglicherweise unterschätzt. Des Weiteren weisen die von uns verwendeten Temperaturprojektionen eine relativ grobe räumliche Auflösung (~ 50 km) auf. Zukünftige Studien mit höher aufgelösten Temperaturprojektionen, wie beispielsweise die vom Deutschen Wetterdienst entwickelten Temperaturprojektionen von COSMO-CLM, sind nötig, um regionale gesundheitliche Folgen des Klimawandels abschätzen zu können. Zudem haben wir die Anpassung der Bevölkerung an die Hitze nicht berücksichtigt (24). Allerdings könnte eine hitzebedingte Anfälligkeit in Augsburg auch weiter zunehmen (15) und künftig zu erhöhten temperaturbedingten Auswirkungen führen.
Fazit
Temperaturbedingte HI-Fälle in Augsburg werden mit dem Anstieg der globalen Erwärmung von 1,5 °C auf 2 °C bzw. 3 °C zunehmen. Im Vergleich zu einem „Weiter-wie-bisher“-Szenario (mit hohen Emissionen und Untätigkeit in Bezug auf den Klimawandel) werden durch die Eindämmung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C in einem emissionsarmen Szenario zusätzliche HI-Fälle vermieden, was nahelegt, dass Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels erforderlich sind, um das Ziel des Übereinkommens von Paris von 1,5 °C zu erreichen.
Förderung
Kai Chen PhD bedankt sich für die Unterstützung durch das Humboldt-Forschungsstipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung. Die KORA-Forschungsplattform wurde vom Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH) initiiert und finanziert. Das Helmholtz Zentrum München wiederum wird vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie und vom Freistaat Bayern gefördert. Seit dem Jahr 2000 wird die Datenerhebung der HI-Fälle vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherheit mitfinanziert, mit dem Ziel, die wichtigsten Forschungsergebnisse im Rahmen der Bundesgesundheits-Berichterstattung ( www.gbe-bund.de) zu veröffentlichen.
Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 5. 3. 2019, revidierte Fassung angenommen: 17. 6. 2019
Anschrift für die Verfasser
Kai Chen PhD
Helmholtz Zentrum München
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt
Institut für Epidemiologie
Ingolstädter Landstraße 1, Neuherberg
85764 München
kai.chen@helmholtz-muenchen.de
Zitierweise
Chen K, Breitner S, Wolf K, Rai M, Meisinger C, Heier M, Kuch B, Peters A, Schneider A, on behalf of the KORA Study Group: Projection of temperature-related myocardial infarction in Augsburg, Germany: moving on from the Paris Agreement on Climate Change.
Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 521–7. DOI: 10.3238/arztebl.2019.0521
►Die englische Version des Artikels ist online abrufbar unter:
www.aerzteblatt-international.de
Zusatzmaterial
eGrafik, eKasten, eMethodenteil:
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